GEPA: Klares Nein zu „Koppelgeschäften“ bei Kaffee!

 

Handelspraxis großer Importeure setzt aus GEPA-Sicht Glaubwürdigkeit des Fairen Handels insgesamt aufs Spiel

 

20.02.2020

Liebe Kundinnen und Kunden, 

in unserer Hintergrundinformation möchten wir Ihnen über ein Thema berichten, das möglicherweise in den nächsten Wochen in der Öffentlichkeit aktuell werden kann. Wir haben zu „Koppelgeschäften“ bei Kaffee bereits auch eine Medienanfrage eines freien taz-Autors erhalten. Veröffentlichungen sind voraussichtlich ab Ende Februar/März geplant

 
   

Auf ihren Reisen und bei Handelspartnerbesuchen haben auch unsere Einkäufer*innen die Erfahrung gemacht, dass große Kaffee-Importeure Kleinbauerngenossenschaften z. B. aus Lateinamerika mit unfairen Bedingungen massiv unter Druck setzen. Diese Röster sind demnach nur bereit, eine Menge X fair gehandelten Rohkaffees abzunehmen, wenn ihnen die Genossenschaft im Gegenzug Menge Y zu konventionellen Bedingungen (oft sogar deutlich unter Weltmarktpreis) verkauft. Auch viele unserer Handelspartner haben sich über diese Praxis der „Koppelgeschäfte“ konventioneller Röster oder „Combos“ (von span. „combinacíon“) wiederholt bei uns beklagt. Denn es nimmt mittlerweile Dimensionen an, die das Überleben insbesondere kleinerer Genossenschaften und ihrer Mitglieder zunehmend in Frage stellt. Viele Kaffeekooperativen haben ihre Produktion noch nicht verkauft, da es aufgrund der Niedrigpreise viel Kaffee auf dem Markt gibt. Daher sind sie gezwungen, sich auf diese Koppelgeschäfte mit großen Röstern einzulassen.

 

Niedrigere Durchschnittspreise für hochwertigen Kaffee

Im Klartext heißt das: Der konventionelle Röster kauft beispielsweise einen Container Bio-Arabica zu FairtradeKriterien (1,90 US-Dollar für ein amerikanisches Pfund = 0,45 Kilo), bezahlt aber für den zweiten Container sogar weniger als Weltmarktpreis (zurzeit rund 1,30 US-Dollar).

Viele Genossenschaften produzieren aber oft ausschließlich hochwertigen, meist Fairtrade-zertifizierten Biokaffee. Unterm Strich bedeutet das: Kaffee-Produzent*innen erhalten von Röstern niedrigere Durchschnittspreise für Kaffee von hoher Qualität. Das ist buchstäblich eine Abwertung und geht auf Kosten vor allem kleiner Produ-zenten-Organisationen! Denn diese Genossenschaften können die niedrigeren Durchschnittspreise nicht über größere Abnahmemengen ausgleichen, um ihre Kosten zu decken. Überhaupt sind faire Preise für sie die Basis, um zu investieren, zu diversifizieren, sich (weiter) zu qualifizieren, kurz: Perspektiven zu entwickeln. Hohe Qualität und höhere Preise bedingen einander, gerade wenn diese kleinen Genossenschaften am Anfang stehen und sich noch etablieren müssen.

 

„Fair“ + „unfair“ = „unfair“

 

Es ist nur allzu verständlich, wenn Genossenschaften aufgrund der aktuellen Marktsituation aus eigenem Antrieb auch Rohkaffee an den konventionellen Handel verkaufen oder Rohkaffee unter Börsenbedingen exportieren. Denn oft gibt es einfach noch nicht genug Abnehmer für fair gehandelten Kaffee. Verwerflich ist jedoch aus unserer Sicht, wenn Importeure sie zur Kopplung von fairen und unfairen Geschäften zwingen. Da geht dann Eigennutz der Importeure vor Fairness und Partnerschaft auf Augenhöhe: Die Kombination aus „fair“ plus „unfair“ ergibt für uns nur „unfair“! 

 

Ziel auch nach 50 Jahre Fairer Handel: Entwicklungsperspektiven aufzeigen!

 

„Entwicklungsperspektiven müssen neben einer kostendeckenden Produktion weiterhin Ziel des Fairen Handels sein. Damit ist der Faire Handel vor genau 50 Jahren angetreten; genau daran sollten wir uns in diesem Jubiläumsjahr erinnern. Koppelgeschäfte – wie oben beschrieben – konterkarieren dieses Ziel und stellen die Glaubwürdigkeit des Fairen Handels insgesamt in Frage.

 

Stimmen von Kaffeekooperativen

Hier ein paar Stimmen von Kaffeegenossenschaften aus Mexiko, Guatemala, Nicaragua und Peru. (Unsere Partner möchten zu ihrem eigenen Schutz nicht namentlich genannt werden):  

„Produzentenorganisationen werden gezwungen, ihren Kaffee nur teilweise zu Fair Trade-Bedingungen, teilweise zu konventionellen Preisen zu verkaufen. Die Händler wissen sehr wohl, dass der Kaffee Fairtradezertifiziert ist. Aber sie preisen ihre Koppel-Angebote als vorteilhaft an und drängen die Genossenschaften, diese schnell anzunehmen, weil sonst andere Organisationen den Röstern ihren Kaffee zu diesen Konditionen verkaufen würden.“

„Es besteht kein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, das führt dazu, dass einige Importeure diese Situation ausnutzen, um Koppelgeschäfte aufzuzwingen. So werden Organisationen, die 100 Prozent Fairen Handel betreiben, benachteiligt.“

„Wir fühlen uns durch diese Praktiken beleidigt, weil wir glauben, dass diese Importeure die Arbeit unserer Erzeuger nicht wertschätzen.“ 

 

Unternehmen insgesamt in die Pflicht nehmen

 

Um Koppelgeschäfte beim Kaffee in Zukunft besser zu vermeiden, muss aus unserer Sicht Fairer Handel ganzheitlicher gedacht werden. Die GEPA ist hier Vorreiter, denn Fairer Handel ist unser einziger Unternehmens-zweck. Das haben unsere Gesellschafter, ausnahmslos kirchliche Hilfswerke und Jugenddachverbände, der GEPA vor bald 45 Jahren „ins Stammbuch“ geschrieben. Auf Kaffee bezogen bedeutet das: Rohkaffee kann selbstver-ständlich nur zu Bedingungen des Fairen Handels eingekauft werden. Die GEPA geht hier teilweise sogar über Fairtrade-Standards hinaus, zahlt für ein Pfund Bio-Arabica (0,45 Kilo) Preise von 1,90 bis 3,60 US-Dollar.

 

Auch konventionelle Händler sollten nach unserer Meinung höhere Auflagen erfüllen, beispielsweise nach und nach immer mehr fair gehandelte Produkte in ihr Sortiment aufnehmen. Einerseits einen geringen Prozentsatz von Rohkaffee zu Fairtrade-Bedingungen einzukaufen, um andererseits im selben Atemzug hochwertige Bohnen zu einem Preis unter Marktwert einzufordern, diese Gleichung geht für uns und unsere Partner definitiv nicht auf!

 

Fairtrade Deutschland und Fairtrade International haben wir auf die gravierende Problematik aufmerksam gemacht; wir sind dort derzeit im Gespräch über das Thema.

 

Fazit: „Ein bisschen fair“ gibt es nicht

 

Die Fair-Zertifizierung einzelner Produkte kann also für uns nur der Anfang sein für fairere Handelsbedingungen. Ein „bisschen fair“ gibt es nicht: Möchte ein Unternehmen sich als „fair“ profilieren„, sollte es unserer Meinung nach auch konsequent das Ziel verfolgen, langfristig das ganze Sortiment auf Fairen Handel umzustellen, so wie wir es tun. 

 

Produktzertifizierung sollte durch Gesamt-Unternehmensüberprüfung ergänzt werden. Dann wären solche unfairen Handelspraktiken nicht mehr möglich. Eine Gesamtüberprüfung des Unternehmens bietet jetzt schon das WFTO-Garantiesystem, dem sich die GEPA und eine Handvoll anderer Unternehmen bereits unterzogen haben. Denn auch Verbraucher/-innen können Greenwashing von einer stimmigen, glaubwürdigen Gesamtstrategie unterscheiden.

Mit herzliche Grüßen

 

Dr. Peter Schaumberger                 Andrea Fütterer                                 Brigitte Frommeyer

Geschäftsführer                               Leiterin Grundsatz und Politik           Pressereferentin